Karen B. London, PhD, ist Certified Applied Animal Behaviorist und hat sich als zertifizierte Hundetrainerin auf Hunde mit ernsten Verhaltensproblemen spezialisiert. In ihrem höchst interessanten Blogbeitrag, erklärt sie, warum die Schlußfolgerung: "der Hund hat Angst vor Männern, weil er früher von einem Mann misshandelt wurde" häufig eine Fehleinschätzung ist und was tatsächlich hinter dieser und anderen Ängsten steckt.
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Hunde, die von Natur aus ängstlich sind
Nicht jeder Hund, der ein „Angsthase“ ist, wurde misshandelt
Karen B. London, PhD, The Bark
"Er/sie muss misshandelt worden sein", ist ein Kommentar, den ich mit alarmierender Regelmäßigkeit höre. Wenn ein Hund sich duckt und zittert oder eine Person, die einen Hut trägt, anbellt und anknurrt, ist es natürlich, zu denken, dass diese starke Reaktion der Beweis für eine frühere harte Behandlung durch jemanden ist, der einen Hut getragen hat. Es ist leicht zu schlussfolgern, dass ein Hund, der vor Kindern Angst hat, durch die Nachbarskinder gequält wurde. Ebenso logisch ist es, anzunehmen, dass ein Hund nur aversiv auf einen Besen reagiert, wenn er zuvor schlimme Erfahrungen mit einen Besen gemacht hat.
Ohne jeden Zweifel, werden viel zu viele Hunde misshandelt, aber nicht alle Hunde, die scheinbar misshandelt wurden, wurden tatsächlich schlecht behandelt. Einige haben Angst, weil sie nicht ausreichend sozialisiert worden sind, oder haben eine genetische Veranlagung ängstlich zu sein oder beides. Misshandlung als Vorgeschichte, ist genauso häufig ein Faktor, wie sie es nicht ist.
Das häufigste Szenario, dass Menschen schlussfolgern lässt, dass ein Hund misshandelt wurde, ist ein Hund, der gut mit Frauen klarkommt, aber Angst vor Männern hat. Die Theorie, dass ein Hund möglicherweise durch einen Mann misshandelt wurde, wird nicht jedoch durch die Tatsache bewiesen, dass der Hund Angst vor Männern hat. Typischerweise haben Hunde mit Angst-Tendenzen mehr Angst vor Männern als von Frauen. Ich habe Hunderte von Hunden getroffen, die nur vor Männern Angst hatten, aber genau zwei, die Frauen mehr fürchteten. Tatsache ist, dass Hunde, die ängstlich sind, eine natürliche Neigung haben, mehr Angst vor Männern zu haben. Niemand weiß sicher, warum das so ist, aber es ist wahrscheinlich, dass ihre größere Körpergröße, breitere Schultern, eine tiefere Stimme und die Gesichtsbehaarung sie einschüchternder machen.
Einen weiteren Grund dafür, dass Hunde mehr Angst vor Männern haben könnten, liefert eine Studie, veröffentlicht im Journal Current Biology*. Wenn von einer Bewegung nur Leuchtpunkte sichtbar sind [beim Filmen werden Tiere oder Gegenstände mit reflektierenden Markierungen oder Punktlichtern an den großen Gelenken versehen und auf dem Video sind dann nur diese Leuchtpunkte sichtbar], nehmen Beobachter einen interessanten Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Bewegungen wahr. Figuren, mit einer als männlich wahrgenommen Gangart, scheinen sich zu nähern, während Figuren mit sowohl weiblicher, als auch geschlechtsneutraler Gangart, als sich entfernend wahrgenommen werden. Ängstliche Hunde haben normalerweise am meisten Angst, wenn etwas angsteinflößendes sich auf sie zu bewegt. Kein Wunder, dass sie Männer bedrohlicher finden, als Frauen.
Geruch könnte ein weiterer Faktor sein. Ein kürzlich durchgeführtes Experiment veröffentlich im Magazin Nature Methods**, hat gezeigt, dass Mäuse und Ratten, unterschiedlich auf männliche und weibliche Experimentatoren reagieren, weil sie unterschiedlich riechen. Das bedeutet, dass alle Verhaltensstudien von diesen Nagetieren möglicherweise durch das Geschlecht der Experimentatoren, die die Studie durchgeführt haben, beeinflusst wurden. Die Versuchstiere waren durch die Anwesenheit von Männern hoch gestresst und zeigten eine verminderte Schmerzreaktion; sogar T-Shirts, die zuvor von Männern getragen wurden (nicht aber die von Frauen getragenen) verursachten diese Reaktion.
Die Nager wurden durch die Gerüche von männlichen Tieren verschiedener Arten, darunter Hunde, Katzen, Meerschweinchen und sogar andere Nagetiere, ähnlich gestresst. Männer setzen bestimmte Pheromone in größeren Konzentrationen frei, als Frauen und diese angstauslösenden Botenstoffe sind bei Säugetieren verbreitet, was bedeutet, dass auch Hunde von ihnen beeinflusst werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Geruchsunterschiede Hunde beeinflussen und dafür sorgen, dass sie mehr Angst vor Männern haben.
Die Annahme, dass die Angst vor Männern, auf eine frühere Misshandlung durch einen Mann hinweist, ist nicht die einzige, die fehlerhaft sein kann. Viele Menschen sind sich sicher, dass Hunde, die negativ auf Menschen mit Hüten oder Rucksäcken reagieren, durch eine Person, misshandelt wurden, die diese Objekte trug. Auch hier gilt wieder: dies ist möglich, aber es ist wahrscheinlicher, dass der Hund einfach mit diesen Objekten selbst und der Art und Weise, in der sie das Aussehen eines Menschen verändern, nicht vertraut ist. Viele Hunde reagieren ängstlich auf eine veränderte Silhouette und zeigen beispielsweise Angst, beim Anblick eines Menschen, den sie kennen und lieben, wenn dieser einen Hut trägt. Sobald die Person den Hut abnimmt, wechselt der Hund zum freudigen Begrüßungsverhalten.
Ein weiterer, häufig missverstandener Bereich ist die Angst vor Kindern. Viele Hunde verhalten sich in der Nähe von Kindern schreckhaft, wegen deren unberechenbaren Verhalten, insbesondere wenn sie in einem frühen Alter nicht gut sozialisiert worden sind. Denn aus der Sicht eines Hundes verhalten sich Kinder eigenartig und nicht vorhersehbar. Sie wechseln schnell die Richtung, rollen auf dem Boden, bewegen sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, machen seltsame Geräusche und sind in der Regel aufgeregte, zweibeinige tanzende Derwische. Für Hunde, die von Natur aus ängstlich sind, können aufgeregte, laute, sich bewegende Menschen, unberechenbar sein und deshalb Angst auslösen. (Als Kehrseite gibt es ängstliche Hunde, die gut mit Kindern umgehen können, aber vor Erwachsenen Angst haben. In der Regel haben solche Hunde positive Erfahrungen mit Kindern und ihrem unvorhersehbaren Verhalten gemacht.)
Wenn die Ängstlichkeit eines Hundes vor bestimmten Typen von Menschen oder bestimmten Alltagsgegenständen nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Hund misshandelt wurde, wie können Sie sich dann sicher sein, dass Ihr Hund in der Vergangenheit misshandelt wurde? Die ehrliche Antwort ist, dass – wenn Sie nicht die ganze Vorgeschichte ihres Hundes kennen – Sie das nie sicher wissen. Einige Hinweise können Ihnen jedoch zu einer begründeten Vermutung verhelfen. Misshandlung ist eine weniger wahrscheinliche Erklärung für die Ängstlichkeit eines Hundes, wenn die Reaktionen des Hundes zum Verhaltensmuster von Hunden passt, die von Natur aus ängstlich sind. Solche Hunde verhalten sich häufig vorsichtig in der Nähe von Fremden, vor allem bei Männern und am meisten bei großen Männern mit tiefen Stimmen und Bärten, oder bei jeder Person, die Gegenstände - Gartengeräte, Besen, Mopp, Sonnenbrille, Rucksack oder einen Hut trägt. Hunde die allgemein ängstlich auf die Umgebung reagieren, reagieren oft am stärksten, wenn sich fremde Menschen nähern, sie direkt ansehen, aus einer sitzenden Position aufstehen oder nach unten greifen, um sie zu streicheln.
Wenn der Hund mehrere Verletzungen, wie gebrochene Knochen oder Zähne oder Narben im Gesicht und am Körper hat, ist Misshandlung wahrscheinlicher. Natürlich könnten diese Verletzungen durch Unfälle entstanden sein und einige Formen der Misshandlung hinterlassen keine Narben. Dennoch ist ein Hund mit ungeklärten Anzeichen physischer Traumata eher ein Opfer von Misshandlung, als ein Hund ohne diese Anzeichen.
Wenn die Angst eines Hundes sehr spezifisch ist, ist es wahrscheinlicher, dass sie auf einem Trauma in Form einer Misshandlung beruht. Wenn ein Hund also Angst vor sommersprossigen, rothaarigen Kindern mit Brille in der Altersgruppe von 10 bis 12 Jahren, aber kein Problem mit allen anderen Kindern hat, ist es wahrscheinlicher, dass eine negative Erfahrung mit einem Kind auf das diese Beschreibung zutrifft, diese Angst verursacht. Wenn ein Hund andererseits nur problemlos mit Kindern klarkommt, die älter als 16 sind, wäre meine Vermutung, dass der Hund keine ausreichende Erfahrung mit vielen unterschiedlichen Kindern gemacht hat und er deshalb nur mit Kindern zurechtkommt, die Erwachsenen in Größe und Verhalten ähneln. Falls der Hund dagegen mit Männern klarkommt, solange sie keine Halbschuhe mit Schnallen tragen, wäre ich geneigt, Misshandlung zu vermuten. Die Spezifität der Ängste weist eher auf eine Misshandlung hin, während generell ängstliche Hunde auf eine breitere Palette von Auslösern reagieren.
Selbst im Fall einer spezifischen Angst müssen wir vorsichtig sein, auf Misshandlung als Ursache zu schlussfolgern. Ich hatte beispielsweise einen Kunden, dessen Hund nur gegenüber einer Person ängstlich und aggressiv reagierte. Das hört sich an, als ob diese Person den Hund schlagen könnte, oder? Nicht in diesem Fall. Der Mann, vor dem der Hund Angst hatte, war der Nachbar, der während eines Hausbrandes das Leben des Hundes gerettet hatte; dieser wunderbare Mann ging in das brennende Haus und trug den Hund hinaus, bevor die Feuerwehr kam. Bis dahin mochte der Hund diesen Mann, aber nach dem Brand hatte er Angst vor ihm, vermutlich weil er den Mann mit seiner schrecklichen Erfahrung verknüpft hatte.
Obwohl jeder der Hunde liebt, wissen will, ob ein bestimmter Hund misshandelt wurde, wird das gleiche Verfahren eingesetzt, damit ein Hund Ängste jeglicher Herkunft überwindet. Klassische Konditionierung, Desensibilisierung und Geduld hilft Menschen und Hunden dabei gleichermaßen. Es ist wichtig, einen ängstlichen Hund nicht mit Gewalt in Situationen zu zwingen, die Angst auslösen, sondern den Hund vor beängstigenden Umständen zu schützen. Seien Sie sanft und freundlich und verzichten Sie auf Strafe. Sie dürfen jeden Hund, der Angst zeigt unterstützen, ohne sich Gedanken über die häufige (aber falsche) Warnung zu machen, dass Sie diese Angst durch das Trösten verstärken. Akzeptieren Sie, dass aus vielen ängstlichen Hunden nie gesellige Mitläufer werden und lieben sie sie dafür, wie sie sind und nicht dafür, wie Sie Ihrer Meinung nach sein sollten.
Einige Menschen scheinen erleichtert zu sein, wenn ich ihnen sage, dass ihr Hund wahrscheinlich nicht misshandelt wurde, andere scheinen enttäuscht zu sein, weil sie die Geschichte von der Aufnahme eines misshandelten Hundes und das damit verbundene gute Gefühl, aufgeben müssen. Ich kann mit beiden Gruppen mitfühlen.
Ich kann die Erleichterung verstehen und ich kann auch verstehen, wie gut es sich anfühlt, einem Hund, der zuvor nur Grausamkeit kennengelernt hat, ein liebevolles Zuhause zu geben. Und obwohl ich letztendlich nicht sagen kann, welcher Hund mit unbekannter Vorgeschichte misshandelt wurde und welcher nicht, stimme ich mit anderen fortschrittlichen Trainern und Verhaltensforschern überein, dass misshandelte Hunde nicht so häufig vorkommen, wie man vielleicht denkt.
Viele wunderbare Kunden mit ängstlichen, reaktiven Hunden, haben zu mir gesagt: "Die Leute werden denken, dass wir ihn/sie misshandelt haben, aber ich schwöre, wir haben ihm/ihr nie wehgetan." Es freut mich, dass ich sie beruhigen kann, weil ich ihnen glaube und das aus einem sehr guten Grund.
*Brooks, Anna, et al. "Correlated changes in perceptions of the gender and orientation of ambiguous biological motion figures." Current Biology 18.17 (2008): R728-R729.
**“Sorge, Robert E., et al. "Olfactory exposure to males, including men, causes stress and related analgesia in rodents”, Nature methods (2014)
Quelle der Übersetzung: http://thebark.com/content/naturally-fearful-dogs
Nicht jeder Hund, der ein „Angsthase“ ist, wurde misshandelt
Karen B. London, PhD, The Bark
"Er/sie muss misshandelt worden sein", ist ein Kommentar, den ich mit alarmierender Regelmäßigkeit höre. Wenn ein Hund sich duckt und zittert oder eine Person, die einen Hut trägt, anbellt und anknurrt, ist es natürlich, zu denken, dass diese starke Reaktion der Beweis für eine frühere harte Behandlung durch jemanden ist, der einen Hut getragen hat. Es ist leicht zu schlussfolgern, dass ein Hund, der vor Kindern Angst hat, durch die Nachbarskinder gequält wurde. Ebenso logisch ist es, anzunehmen, dass ein Hund nur aversiv auf einen Besen reagiert, wenn er zuvor schlimme Erfahrungen mit einen Besen gemacht hat.
Ohne jeden Zweifel, werden viel zu viele Hunde misshandelt, aber nicht alle Hunde, die scheinbar misshandelt wurden, wurden tatsächlich schlecht behandelt. Einige haben Angst, weil sie nicht ausreichend sozialisiert worden sind, oder haben eine genetische Veranlagung ängstlich zu sein oder beides. Misshandlung als Vorgeschichte, ist genauso häufig ein Faktor, wie sie es nicht ist.
Das häufigste Szenario, dass Menschen schlussfolgern lässt, dass ein Hund misshandelt wurde, ist ein Hund, der gut mit Frauen klarkommt, aber Angst vor Männern hat. Die Theorie, dass ein Hund möglicherweise durch einen Mann misshandelt wurde, wird nicht jedoch durch die Tatsache bewiesen, dass der Hund Angst vor Männern hat. Typischerweise haben Hunde mit Angst-Tendenzen mehr Angst vor Männern als von Frauen. Ich habe Hunderte von Hunden getroffen, die nur vor Männern Angst hatten, aber genau zwei, die Frauen mehr fürchteten. Tatsache ist, dass Hunde, die ängstlich sind, eine natürliche Neigung haben, mehr Angst vor Männern zu haben. Niemand weiß sicher, warum das so ist, aber es ist wahrscheinlich, dass ihre größere Körpergröße, breitere Schultern, eine tiefere Stimme und die Gesichtsbehaarung sie einschüchternder machen.
Einen weiteren Grund dafür, dass Hunde mehr Angst vor Männern haben könnten, liefert eine Studie, veröffentlicht im Journal Current Biology*. Wenn von einer Bewegung nur Leuchtpunkte sichtbar sind [beim Filmen werden Tiere oder Gegenstände mit reflektierenden Markierungen oder Punktlichtern an den großen Gelenken versehen und auf dem Video sind dann nur diese Leuchtpunkte sichtbar], nehmen Beobachter einen interessanten Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Bewegungen wahr. Figuren, mit einer als männlich wahrgenommen Gangart, scheinen sich zu nähern, während Figuren mit sowohl weiblicher, als auch geschlechtsneutraler Gangart, als sich entfernend wahrgenommen werden. Ängstliche Hunde haben normalerweise am meisten Angst, wenn etwas angsteinflößendes sich auf sie zu bewegt. Kein Wunder, dass sie Männer bedrohlicher finden, als Frauen.
Geruch könnte ein weiterer Faktor sein. Ein kürzlich durchgeführtes Experiment veröffentlich im Magazin Nature Methods**, hat gezeigt, dass Mäuse und Ratten, unterschiedlich auf männliche und weibliche Experimentatoren reagieren, weil sie unterschiedlich riechen. Das bedeutet, dass alle Verhaltensstudien von diesen Nagetieren möglicherweise durch das Geschlecht der Experimentatoren, die die Studie durchgeführt haben, beeinflusst wurden. Die Versuchstiere waren durch die Anwesenheit von Männern hoch gestresst und zeigten eine verminderte Schmerzreaktion; sogar T-Shirts, die zuvor von Männern getragen wurden (nicht aber die von Frauen getragenen) verursachten diese Reaktion.
Die Nager wurden durch die Gerüche von männlichen Tieren verschiedener Arten, darunter Hunde, Katzen, Meerschweinchen und sogar andere Nagetiere, ähnlich gestresst. Männer setzen bestimmte Pheromone in größeren Konzentrationen frei, als Frauen und diese angstauslösenden Botenstoffe sind bei Säugetieren verbreitet, was bedeutet, dass auch Hunde von ihnen beeinflusst werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Geruchsunterschiede Hunde beeinflussen und dafür sorgen, dass sie mehr Angst vor Männern haben.
Die Annahme, dass die Angst vor Männern, auf eine frühere Misshandlung durch einen Mann hinweist, ist nicht die einzige, die fehlerhaft sein kann. Viele Menschen sind sich sicher, dass Hunde, die negativ auf Menschen mit Hüten oder Rucksäcken reagieren, durch eine Person, misshandelt wurden, die diese Objekte trug. Auch hier gilt wieder: dies ist möglich, aber es ist wahrscheinlicher, dass der Hund einfach mit diesen Objekten selbst und der Art und Weise, in der sie das Aussehen eines Menschen verändern, nicht vertraut ist. Viele Hunde reagieren ängstlich auf eine veränderte Silhouette und zeigen beispielsweise Angst, beim Anblick eines Menschen, den sie kennen und lieben, wenn dieser einen Hut trägt. Sobald die Person den Hut abnimmt, wechselt der Hund zum freudigen Begrüßungsverhalten.
Ein weiterer, häufig missverstandener Bereich ist die Angst vor Kindern. Viele Hunde verhalten sich in der Nähe von Kindern schreckhaft, wegen deren unberechenbaren Verhalten, insbesondere wenn sie in einem frühen Alter nicht gut sozialisiert worden sind. Denn aus der Sicht eines Hundes verhalten sich Kinder eigenartig und nicht vorhersehbar. Sie wechseln schnell die Richtung, rollen auf dem Boden, bewegen sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, machen seltsame Geräusche und sind in der Regel aufgeregte, zweibeinige tanzende Derwische. Für Hunde, die von Natur aus ängstlich sind, können aufgeregte, laute, sich bewegende Menschen, unberechenbar sein und deshalb Angst auslösen. (Als Kehrseite gibt es ängstliche Hunde, die gut mit Kindern umgehen können, aber vor Erwachsenen Angst haben. In der Regel haben solche Hunde positive Erfahrungen mit Kindern und ihrem unvorhersehbaren Verhalten gemacht.)
Wenn die Ängstlichkeit eines Hundes vor bestimmten Typen von Menschen oder bestimmten Alltagsgegenständen nicht zwangsläufig bedeutet, dass der Hund misshandelt wurde, wie können Sie sich dann sicher sein, dass Ihr Hund in der Vergangenheit misshandelt wurde? Die ehrliche Antwort ist, dass – wenn Sie nicht die ganze Vorgeschichte ihres Hundes kennen – Sie das nie sicher wissen. Einige Hinweise können Ihnen jedoch zu einer begründeten Vermutung verhelfen. Misshandlung ist eine weniger wahrscheinliche Erklärung für die Ängstlichkeit eines Hundes, wenn die Reaktionen des Hundes zum Verhaltensmuster von Hunden passt, die von Natur aus ängstlich sind. Solche Hunde verhalten sich häufig vorsichtig in der Nähe von Fremden, vor allem bei Männern und am meisten bei großen Männern mit tiefen Stimmen und Bärten, oder bei jeder Person, die Gegenstände - Gartengeräte, Besen, Mopp, Sonnenbrille, Rucksack oder einen Hut trägt. Hunde die allgemein ängstlich auf die Umgebung reagieren, reagieren oft am stärksten, wenn sich fremde Menschen nähern, sie direkt ansehen, aus einer sitzenden Position aufstehen oder nach unten greifen, um sie zu streicheln.
Wenn der Hund mehrere Verletzungen, wie gebrochene Knochen oder Zähne oder Narben im Gesicht und am Körper hat, ist Misshandlung wahrscheinlicher. Natürlich könnten diese Verletzungen durch Unfälle entstanden sein und einige Formen der Misshandlung hinterlassen keine Narben. Dennoch ist ein Hund mit ungeklärten Anzeichen physischer Traumata eher ein Opfer von Misshandlung, als ein Hund ohne diese Anzeichen.
Wenn die Angst eines Hundes sehr spezifisch ist, ist es wahrscheinlicher, dass sie auf einem Trauma in Form einer Misshandlung beruht. Wenn ein Hund also Angst vor sommersprossigen, rothaarigen Kindern mit Brille in der Altersgruppe von 10 bis 12 Jahren, aber kein Problem mit allen anderen Kindern hat, ist es wahrscheinlicher, dass eine negative Erfahrung mit einem Kind auf das diese Beschreibung zutrifft, diese Angst verursacht. Wenn ein Hund andererseits nur problemlos mit Kindern klarkommt, die älter als 16 sind, wäre meine Vermutung, dass der Hund keine ausreichende Erfahrung mit vielen unterschiedlichen Kindern gemacht hat und er deshalb nur mit Kindern zurechtkommt, die Erwachsenen in Größe und Verhalten ähneln. Falls der Hund dagegen mit Männern klarkommt, solange sie keine Halbschuhe mit Schnallen tragen, wäre ich geneigt, Misshandlung zu vermuten. Die Spezifität der Ängste weist eher auf eine Misshandlung hin, während generell ängstliche Hunde auf eine breitere Palette von Auslösern reagieren.
Selbst im Fall einer spezifischen Angst müssen wir vorsichtig sein, auf Misshandlung als Ursache zu schlussfolgern. Ich hatte beispielsweise einen Kunden, dessen Hund nur gegenüber einer Person ängstlich und aggressiv reagierte. Das hört sich an, als ob diese Person den Hund schlagen könnte, oder? Nicht in diesem Fall. Der Mann, vor dem der Hund Angst hatte, war der Nachbar, der während eines Hausbrandes das Leben des Hundes gerettet hatte; dieser wunderbare Mann ging in das brennende Haus und trug den Hund hinaus, bevor die Feuerwehr kam. Bis dahin mochte der Hund diesen Mann, aber nach dem Brand hatte er Angst vor ihm, vermutlich weil er den Mann mit seiner schrecklichen Erfahrung verknüpft hatte.
Obwohl jeder der Hunde liebt, wissen will, ob ein bestimmter Hund misshandelt wurde, wird das gleiche Verfahren eingesetzt, damit ein Hund Ängste jeglicher Herkunft überwindet. Klassische Konditionierung, Desensibilisierung und Geduld hilft Menschen und Hunden dabei gleichermaßen. Es ist wichtig, einen ängstlichen Hund nicht mit Gewalt in Situationen zu zwingen, die Angst auslösen, sondern den Hund vor beängstigenden Umständen zu schützen. Seien Sie sanft und freundlich und verzichten Sie auf Strafe. Sie dürfen jeden Hund, der Angst zeigt unterstützen, ohne sich Gedanken über die häufige (aber falsche) Warnung zu machen, dass Sie diese Angst durch das Trösten verstärken. Akzeptieren Sie, dass aus vielen ängstlichen Hunden nie gesellige Mitläufer werden und lieben sie sie dafür, wie sie sind und nicht dafür, wie Sie Ihrer Meinung nach sein sollten.
Einige Menschen scheinen erleichtert zu sein, wenn ich ihnen sage, dass ihr Hund wahrscheinlich nicht misshandelt wurde, andere scheinen enttäuscht zu sein, weil sie die Geschichte von der Aufnahme eines misshandelten Hundes und das damit verbundene gute Gefühl, aufgeben müssen. Ich kann mit beiden Gruppen mitfühlen.
Ich kann die Erleichterung verstehen und ich kann auch verstehen, wie gut es sich anfühlt, einem Hund, der zuvor nur Grausamkeit kennengelernt hat, ein liebevolles Zuhause zu geben. Und obwohl ich letztendlich nicht sagen kann, welcher Hund mit unbekannter Vorgeschichte misshandelt wurde und welcher nicht, stimme ich mit anderen fortschrittlichen Trainern und Verhaltensforschern überein, dass misshandelte Hunde nicht so häufig vorkommen, wie man vielleicht denkt.
Viele wunderbare Kunden mit ängstlichen, reaktiven Hunden, haben zu mir gesagt: "Die Leute werden denken, dass wir ihn/sie misshandelt haben, aber ich schwöre, wir haben ihm/ihr nie wehgetan." Es freut mich, dass ich sie beruhigen kann, weil ich ihnen glaube und das aus einem sehr guten Grund.
*Brooks, Anna, et al. "Correlated changes in perceptions of the gender and orientation of ambiguous biological motion figures." Current Biology 18.17 (2008): R728-R729.
**“Sorge, Robert E., et al. "Olfactory exposure to males, including men, causes stress and related analgesia in rodents”, Nature methods (2014)
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